Grundlagen DVDV
Das Deutsche Verwaltungsdiensteverzeichnis (DVDV) ist eine fach- und verwaltungsübergreifende Infrastrukturkomponente des E-Government in Deutschland. In diesem Verzeichnisdienst können technische Verbindungsdaten von Online-Diensten der öffentlichen Verwaltung hinterlegt werden, die zu ihrer Adressierung und Nutzung benötigt werden. Auskunftssuchende und Nutzer des DVDV sind in erster Linie elektronische Fachverfahren und Online-Dienste, keine menschlichen Nutzer. 1
Das DVDV bildet eine Basis für den Datenaustausch verschiedener Fachverfahren im deutschen Verwaltungsraum und hat damit die Funktion einer zentralen Registrierungsstelle für Online-Dienste der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Es trägt zum Aufbau von rechtsverbindlicher elektronischer Kommunikation von und mit Behörden über die vorhandenen Fachverfahren auf höchstem Sicherheitsniveau bei. Das DVDV ist darauf ausgerichtet, im laufenden Betrieb weitere Dienste und Systeme anzubinden und im Backend größerer Verbundsysteme die rechtssichere Kommunikation über standardisierte Verfahren mittels standardisierter Kommunikationsszenarien zu ermöglichen.
Im Zuge der stetig voranschreitenden Digitalisierung der Verwaltungsleistungen wird die Bedeutung des DVDV in den kommenden Jahren voraussichtlich erheblich wachsen. Es entstehen derzeit sowohl im europäischen als auch im nationalen Kontext zahlreiche neue Anforderungen, in deren Rahmen das DVDV eine gewichtige Rolle spielen soll. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur eine Ausweitung der Nutzer- und Transaktionszahlen inklusive des damit einhergehenden Datenpflegeaufwands, sondern es werden Dienstleistungen und Dienstleister in völlig neuen Anwendungssituationen verzeichnet und neue Protokollstandards in neuen Netzen unterstützt und registriert.
Auf den folgenden Seiten soll allen Personen, die sich eingehender mit dem DVDV auseinandersetzen möchten, der Einstieg in dieses Thema erleichtert und ein erster Überblick über die organisatorischen und technischen Aspekte vermittelt werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit müssen viele Einzelheiten ausgeblendet bleiben, die zum Gesamtverständnis des DVDV nicht unbedingt erforderlich sind und den Lesefluss eher beeinträchtigen würden. Selbstverständlich existieren für sämtliche Aspekte der Realisierung detaillierte Beschreibungen, etwa eine Architekturdokumentation, je ein Benutzerhandbuch für DVDV-Bundesmaster und DVDV-Server, Handbücher für sämtliche Clients, diverse Eintragungskonzepte für die verzeichneten Behördenkategorien usw. Sollten Sie als Leser:in Bedarf an vertiefenden Informationen haben, wenden Sie sich bitte an die beim ITZBund eingerichtete Koordinierende Stelle DVDV 2 (dvdv@itzbund.de).
Ausgangslage und Zielsetzung
Die damalige Novellierung des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) 3 sah eine elektronische Datenübermittlung zwischen Meldebehörden zwingend vor. Das war Anlass, über eine zentrale Infrastrukturkomponente für den automatisierten Austausch von Verbindungsdaten über das Internet nachzudenken. Diese sollte an zentraler Stelle technische Adress- und Protokoll-informationen von E-Government-Fachverfahren (Applikationen) zwischen unterschiedlichen Verwaltungsträgern in Bund, Ländern und Kommunen bereitstellen, sodass kein Verfahren ein eigenes Adressverzeichnis pflegen und bereitstellen muss.
Eine weitere zentrale Anforderung an das DVDV war und ist, dass es die Voraussetzungen für die rechtssichere und vertrauenswürdige Adressierung hoheitlicher Dienste im Sinne von Verwaltungsleistungen auf höchstem Sicherheits-, Validitäts- und Integritätsniveau schafft. Dies geschieht einerseits organisatorisch, indem ausschließlich durch die Verwaltung beauftragte, sogenannte Pflegende Stellen schreibenden Zugriff auf die im DVDV hinterlegten Daten haben. Andererseits sorgt die Verfahrensarchitektur dafür, dass Datenreplikationen innerhalb des DVDV-Systems nur auf gesicherten Netzen des Bundes stattfinden und die beteiligten Kommunikationspartner beim lesenden Zugriff eindeutig authentifiziert werden.
Schnell kam die Idee auf, diese Lösung nicht nur zwischen Meldebehörden, sondern auch fachoffen für andere (Online-)Dienste zu nutzen. Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände einigten sich im Kooperationsausschuss Automatisierte Datenverarbeitung (KoopA ADV) auf das DVDV als gemeinsame Infrastrukturkomponente.
Zwar war das System initial auf den Datenaustausch zwischen Behörden der Innenverwaltung ausgelegt, entwickelte sich das DVDV seitdem stetig weiter und nahm insbesondere seit 2018 durch die steigenden Anforderungen aus Bund und Ländern neue XÖV-Fachdomänen auf. Das ursprüngliche Konzept für das DVDV stammt aus dem Jahr 2004 und wurde nach Beauftragung durch den KoopA ADV implementiert. Das DVDV nahm nach einer Erprobungsphase am 1. Januar 2007 den operativen Betrieb auf, den es seither ohne Unterbrechung erbringt.
Im Jahr 2019 wurde die Codebasis des DVDV komplett modernisiert und unter der Bezeichnung „DVDV 2.0“ funktional wesentlich erweitert. Dies sollte die Zukunftssicherheit des Systems gewährleisten. Zentrale Motive waren dabei - neben der Verbesserung der IT-Sicherheit, Stabilität, Performanz und Benutzerfreundlichkeit - insbesondere die Vorbereitung auf zukünftige Anforderungen, die sich aus den nationalen und europäischen Kontexten zur Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen schon zu diesem Zeitpunkt abzeichneten. Die Migration vom vorhergehenden auf das neue System erfolgte im Oktober 2019 ohne Einschränkung oder gar Unterbrechung der Nutzerverfügbarkeit.
Aktuelle Anforderungen aus SDG, RegMoG, OZG und OOP
Die Nachfrage nach zwischenbehördlichem Datenaustausch steigt stetig. Mit neuen Projekten und Initiativen zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland wachsen auch die Einsatzmöglichkeiten für DVDV. Darauf freuen wir uns!
Single Digital Gateway (SDG)
Das Single Digital Gateway (SDG) wurde 2018 vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat als EU-weite digitale Anlaufstellen für Verwaltungsleistungen beschlossen.
[...] EU-Parlament und Europäischer Rat [haben] beschlossen, bestehende europäische Portale, Websites, Netze, Dienste und Systeme zu erweitern und mit nationalen Lösungen zu verknüpfen. Dadurch soll eine einheitliche digitale Anlaufstelle der europäischen Verwaltung entstehen.4
Bundesministerium des Inneren und für Heimat
Konkret wird das Informationsportal Your Europe zu dieser EU-weiten, digitalen Anlaufstelle ausgebaut und mit nationalen digitalen Anlaufstelle verknüpft. In Deutschland wird Your Europe mit dem Bundesportal verbunden.
Als Bestandteil der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und des Once-Only-Principles (OOP) benötigt das SDG zentrale Infrastrukturkomponenten. Hier kann DVDV wesentliche Beiträge leisten.
Onlinezugangsgesetz (OZG) und Once-Only-Principle (OOP)
Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen dazu, Bürger:innen und Organisationen viele ihrer Verwaltungsleistungen zukünftig auch in elektronischer Form über Portale anzubieten.
Um Verwaltungsaufwand zu reduzieren, soll dabei das Once-Only-Principle (OOP) berücksichtigt werden: Antragsteller:innen sollen bestimmte Angaben nur noch einmal mitteilen müssen. Weitere Behörden, die diese Angaben ebenfalls benötigen, nutzen die bereits gemachte Angabe nach — sofern die Antragstellenden diesem Verfahren zustimmt.
Das "Koordinierungsprojekt Registermodernisierung" des IT-Planungsrats ist ein zentraler Baustein für die konsequente Umsetzung von SDG und OZG.
Registermodernisierungsgesetz (RegMoG)
Mit dem Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) hat die Bundesregierung 2021 den Grundstein für die flächendeckende Modernisierung der bestehenden Register gelegt.
Register definieren sich gemäß dem Nationalen Normenkontrollrat, als alle Daten und Verzeichnisse, die für das Erbringen einer Verwaltungsleistung erforderlich sind und deren Inhalte öffentliches Interesse genießen. Die Registerdaten können zur Unterstützung von administrativen und politischen Entscheidungen sowie für amtliche Statistik genutzt werden.5
Registerlandkarte - Übersicht über die bestehenden Register in Deutschland
Die logische Verknüpfung von Registern der öffentlichen Verwaltung, unter Beachtung optimaler technischer, rechtlicher und organisatorischer Funktionalität, gewährleistet schnellen, unkomplizierten Datenaustausch. Die Förderung effizienter Verwaltung durch OOP ist ein zentrales Nutzenversprechen der Registermodernisierung.
Voraussetzung für eine konsequente OOP-Anwendung sind eine engere Vernetzung zwischen Behörden und Kenntnis darüber, welche Daten wo abgelegt sind. Hier dient DVDV als zentrales Verzeichnis zur Adressierung der Anbieter von Verwaltungsdienstleistungen.
Für DVDV ergeben sich aus der Registermodernisierung mindestens 5 Herausforderungen:
- Die Zahl der Anfragen steigt.
- Die Zahl hinterlegter Dienste steigt.
- Die Zahl hinterlegter Organisationen steigt.
- Die Diversität der Anfragearten steigt.
- Die Diversität Kommunikationsszenarien steigt.
DVDV als Produkt des IT-Planungsrats
Inzwischen ist aus dem Projekt DVDV ein Produkt des IT-Planungsrats (IT-PLR) geworden. Dieses Gremium folgte 2010 dem KoopA ADV nach und dient der Koordinierung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der Informationstechnik. Der IT-PLR besteht aus dem/der Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik (BfIT) sowie einem/einer für Informationstechnik zuständigen Vertreter:in jeden Bundeslandes.
Produkte des IT-PLR sind dauerhaft betriebene Dienste, die den im Staatsvertrag genannten Zweck des „informations- und kommunikationstechnisch unterstützten Regierens und Verwaltens“ erfüllen. Hierzu zählen u. a. technische Schnittstellen, Kommunikationsdienste, zentrale Anwendungen und Methoden.
Weitere Produkte des IT-Planungsrats:
- 115 - Einheitliche Behördennummer
- Behördenfinder Deutschland (BFD)
- eGov-Campus – Plattform für digitale Lehrangebote auf dem Gebiet e-Government/Verwaltungsinformatik
- Föderales Informationsmanagement (FIM) - liefert standardisierte Informationen für Verwaltungsleistungen
- FIT-Store – Angebotsplattform zur Nach-/Mitnutzung digitalisierter Onlinedienste
- GovData – nationales Metadatenportal, über das Bund, Länder und Kommunen ihre Verwaltungsdaten auffindbar und zugänglich machen
- Governikus (genauer: „Anwendung Governikus des IT-Planungsrates“) - ermöglicht den gesetzeskonformen und sicheren Austausch vertrauenswürdiger Daten und Dokumente über das Internet
- Governikus MultiMessenger (genauer „Anwendung Governikus MultiMessenger [GMM] des IT-Planungsrates“) – fungiert als zentrale Multikanalkommunikationsplattform
- Online-Gateway Portalverbund (PVOG) - verknüpft die Verwaltungsportale der Länder und des Bundes
- Online-Sicherheitsprüfung (OSiP) - Verfahren zur automatisierten und weitestgehend medienbruchfreien Beteiligung von Stellen der personenbezogenen Sicherheits- und Zuverlässigkeitsprüfungen
Die Federführung des DVDV oblag bis Mitte 2021 dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und wurde durch das Produktmanagement DVDV der Föderalen IT-Kooperation AöR (FITKO) abgelöst. Die FITKO ist eine vom IT-Planungsrat geschaffene Organisation, die mit operativen Planungs-, Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben die effektive Umsetzung der Beschlüsse des IT-Planungsrats fördert. Dazu koordiniert und vernetzt sie die Akteur:innen, fördert und entwickelt gemeinsame Lösungen und Kooperationen und bietet Raum für neue Wege der Zusammenarbeit.
Aktuelle Nutzungszahlen
Um sich ein Bild von den Größenordnungen machen zu können, hier ein einige Zahlen zur Nutzung des DVDV. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Verfahrensbeschreibung sind im DVDV die Zugangsparameter von mehr als 32.000 Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung oder zu diesem Zweck tätigen Organisationen eingetragen. Für diese sind ca. 58.000 konkrete Dienste verzeichnet.
Transaktionszahlen sind wegen der verteilten Natur des Systems nur sehr schwer zu ermitteln. Nach einer im Sommer 2020 vorgenommenen Erhebung erscheint für das Gesamtsystem eine Zahl von etwa einer Million Zugriffen pro Tag realistisch, Tendenz steigend.